Strukturverbesserungen an der Dreisam bei Nimburg

Wir haben tolle Neuigkeiten zu berichten. An der Dreisam bei Nimburg wurden in den letzten Wochen Arbeiten im Gewässer durchgeführt, um eine bessere Gewässerstruktur zu erhalten. In diesem Zusammenhang wollen wir einige interessante Aspekte mit euch teilen, weshalb dort und wie man vorgegangen ist.

Zuallererst, warum dort? Die Dreisam ist in diesem Bereich niemals trockengefallen, selbst im Jahrhundertsommer 2003 hatte sie dort Wasser. Gefolgt von 2018 und 2022, die auch als extreme Hitzesommer und von geringen Niederschlägen geprägt waren.

Warum aber ist dort Wasser? Die Dreisam tritt hier aus dem Schwemmfächer aus. Das sind Ablagerungen wie Kies und Geröll. Dieser Abschnitt gehörte früher zur Auenlandschaft der Dreisam, in der grundsätzlich ein höherer Grundwasserpegel vorhanden ist. Da fast kein Gefälle, bzw. nur noch sehr geringes Gefälle vorhanden ist, tritt das Wasser dann oft in größeren Mengen aus. Komplexe Geschiebeereignisse und Schichten, die Wasser speichern können, spielen auch eine Rolle. Durch die Versickerung der Dreisam in der March läuft das Wasser zum tiefsten Punkt, füllt den Grundwasserspeicher und tritt dann wieder aus. Dies geschieht eben bei Nimburg, weshalb es dort auch in den absoluten Hitzesommern noch Wasser hatte.

 

Das austretende Grundwasser ist sehr kalt und war selbst im Sommer 2022 nicht über 18 Grad warm. Allerdings ist dieses Grundwasser sehr sauerstoffarm. Warum? Sauerstoff kommt nur durch Turbulenzen ins Wasser, z.B. durch Überschläge, Wasserfälle, Verwirbelungen, Gefälle etc. Auch Wasserpflanzen und Algen reichern das Wasser mit Sauerstoff an. All das gibt es beim Grundwasser erstmal nicht, wenn es sich im Boden befindet.

Der Abschnitt in Nimburg wurde folglich deshalb ausgewählt, weil ganzjährig Wasser vorhanden ist, das zum Überleben vieler Arten beiträgt. Neben Fischen sind das auch Muscheln, Krebse und das Makrozoobenthos

Nun zu unserem Problem! Wir haben jetzt zwar Wasser, aber in einen Kanal, der keinerlei Strukturen hat. Außerdem ist das Wasser meistens nur wenige Zentimeter über der Gewässersohle, wodurch besonders größere Fische über 15 cm keinen Lebensraum finden. Bei höherem Wasserstand steigen außerdem viele Fische aus der Alten Dreisam, Elz, dem Leopoldskanal und auch aus dem Rhein in die Dreisam auf. Oft geht es danach aber sehr schnell, dass der Pegel wieder fällt, wodurch besonders die größeren Fische im unteren Abschnitt bei Eichstetten/Nimburg bis kurz vor Riegel nicht mehr in der Lage sind in Bereiche mit tieferen Stellen zu wandern – sie stranden und gehen ein.

 

Hier ein paar Eindrücke von der nicht vorhanden Struktur. Einfach trostlos!

Also Renaturierung, bzw. Revitalisierung! Aber wie?
Das Ziel hierbei sollte natürlich immer sein den Gewässern Platz einzuräumen, so dass eine Entwicklung des Gewässers möglich ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die Elz bei Köndringen.

Aber geht dies auch an der Dreisam? Leider nur an wenigen Stellen, bis gar nicht. Das liegt leider an dem hoch technischen Ausbau im Umfeld der Dreisam. Eine Verlegung von Dämmen und eine Aufweitung, die gleichzeitig auf Hochwasserschutz und Verbesserung der Habitate ausgelegt ist, ist deshalb weder aus wasserbaulicher noch aus finanzieller Sicht möglich.

Wie sehen diese Probleme nun im Detail aus? Die Dreisam ist ein einziges Mienenfeld, das durch Leitungen, wie Gas, Wasser, Abwasser, Strom, Telekommunikation und viele zum Teil unbekannte Leitungssysteme durchzogen ist.
Gleichzeitig verlaufen rechtsseitig hinter den Dämmen, ähnlich einer Autobahn, die Hauptleitungen der Gasversorgung Mailand-Rotterdam. Linksseitig wiederum befindet sich der Hauptstrang des Abwasserzweckverbandes, also das Abwasser der Stadt Freiburg. Alleine im Planungsgebiet bei Nimburg queren fünf Leitungen die Dreisam.

Folglich bedarf es großer Naivität, wenn Vorschläge unterbreitet werden, „man solle doch einfach mal die Dreisam renaturieren“. Leider stammen diese Art Vorschläge oft sogar von großen Naturschutzverbänden, die aber mit der Realität nicht vereinbar sind.

Also was machen wir? Klar, wir könnten einerseits das Handtuch werfen, über die vielen Leitungen klagen und uns einreden wir würden ja gerne….
Oder aber wir bündeln unser Fachwissen von Hydrologen (Wasserbauer), Limnologen, Ichthyologen, und machen einen Plan, wie selbst solche Gewässer eine nachhaltige Verbesserung erfahren können. Natürlich wird aus der Dreisam kein naturbelassener Fluss mehr werden, wie es ihn vor hunderten Jahren gab. Aber man kann trotzdem etwas fürs Gewässer und deren Bewohner tun.

So wurde in Absprache mit Bernd Walser (RP Freiburg Referat 53.2.), Herbert Kaiser (Fischereiaufsicht des RP Freiburg), Claudio Schill (Referent für Gewässer, Landesfischereiverband) sowie Bernd Kowalke von der IG Dreisam wurde ein Plan entwickelt, der alle relevanten Bausteine für eine nachhaltige Verbesserung enthält. Die Vorarbeiten für die Kartierung und Untersuchung der Abschnitte, insbesondere das Temperaturmonitoring, wurden von Jürgen Steiner und Timo Heimann (beide IG Dreisam) durchgeführt.

Nun zur Umsetzung! Ähnlich wie an der Dreisam im Ganter Areal wurden sogenannten V-Buhnen mit Wurzelnestern eingebaut. Diese Einbauten wurden 1999 von Claudio Schill an der Wutach entwickelt und mit den Wurzelnestern im Poolbereich weiter verbessert. Sie dienen der Auskolkung, auch Evorision genannt. Wasser wird gezwungen über zwei Baumstämme abzulaufen, die mit der Spitze des Vs zur Strömung stehen. Dadurch entsteht eine Wasserrolle, die durch ihre hydraulischen Kräfte den Kolk vertieft und vom Geschiebe freihält. Zusätzlich strömt durch die Vertiefung mehr kaltes Grundwasser aus.

 

Hier ein paar Bilder von den Bauarbeiten und Einbauten:

Die zusätzlichen Einbauten von Wurzelnestern kurz unterhalb der V-Mündung sind nicht nur ausgezeichnete Fischunterstände, sondern dienen bei Hochwasser auch als Schutz vor Verdriftung.

Außerdem sorgt der Einbau von Steinbuhnen für das Ausbilden einer Niedrigwasserrinne und schafft zusätzlich Turbulenzen, die für einen Sauerstoffeintrag ins Gewässer sorgen. Im Vorland des Damms wurde zudem ein „Fischhotel“ gebaut, das über eine Stahlüberdachung verfügt samt Leitbuhne.           

 Zusätzlich wurde das Geschiebe mobilisiert, so dass lockeres Material im Bereich Microlithal, Mesolithal für Kieslaicher zur Verfügung steht. Durch den Abtrag des Vorlandes können zudem höhere Wassermengen aufgenommen werden, was den Vorteil hat, dass nun an der Wasserkante mit einer Entwicklung von Erle und Weide zu rechnen ist. Dies führt bei der Wasser-Land Verzahnung zur mehr Beschattung und zusätzlichen Fischunterständen.

Was wurde außerdem gemacht? Da für die Arbeiten schweres Gerät notwendig war und es im Vorfeld schon klar war, dass es zu starken Aufwirbelungen von Segment kommen wird, wurde vor den Bauarbeiten ein Abfischen des Fischbestandes durchgeführt. Hierbei wurden die Fische mit dem E-Gerät kurz betäubt, dem Gewässer im betroffenen Abschnitt entnommen und weiter flussabwärts sicher wieder ausgesetzt. Das aufgewirbelte Segment könnte die Kiemen der Fische verstopfen und zum Tod führen. Der entsprechende Abschnitt wurde ober- und unterhalb mit einem Zaun verschlossen, um zu verhindern, dass die Fische wieder zurückwandern. Dieses Abfischen wurde an einem Sonntag von vielen ehrenamtlichen Helfern durchgeführt. Wir möchten hier nochmal allen Beteiligten für ihren tatkräftigten Einsatz und gelebten Umweltschutz danken!

Ein weiterer Vorteil vom durchgeführten Abfischen ist auch das gleichzeitig stattgefundene Monitoring. Anhand der gesammelten Daten des Fischbestandes vor den Strukturverbesserungen können wir nun bei weiteren Monitoring-Aktionen in den kommenden Jahren den Erfolg der Maßnahme messen und nachweisen.

 

Hier ein paar Eindrücke vom Abfischen:

Wir sind stolz auf das Erreichte und sind gespannt, wie sich die Einbauten entwickeln werden und welche Ergebnisse wir beim nächsten Monitoring sehen werden! Wir halten euch auf dem Laufenden!